
Kai Vogelsang
Geschichte Chinas
Reclam, Philipp, jun. GmbH, Verlag (1. April 2012)
ISBN-13: 978-3150108574
Chinas Geschichte ist weitaus mehr als das Auf und Ab eines Reiches oder die stetige Entwicklung und Ausbreitung einer Kultur. Hinter diesen scheinbar einförmigen Verläufen verbirgt sich eine unfassbare Diversität von Lebensformen, unversöhnlichen Differenzen von Weltsichten und krassen Gegensätzen zwischen Reichtum und Elend: „China“ war nie homogen, weder in räumlicher oder zeitlicher noch in sozialer Hinsicht, sondern immer bunt und vielgestaltig. Dennoch – oder: gerade deshalb – setzte sich die Rede von Einheit und Kontinuität durch, und zwar umso nachdrücklicher, je offensichtlicher die Differenzen zwischen Zeiten und Menschen wurden in einem Land, das sich heute über einen ganzen Kontinent ausgebreitet hat.
Diese Geschichte Chinas orientiert sich nicht an Dynastien oder anderen gängigen Einteilungen, sondern an ebendiesem spannungsreichen Konflikt zwischen Einheit und Vielfalt. Sie beschreibt das pralle Leben der Chinesen, ihre Wunderlichkeiten, die Fülle ihre kulturellen Schöpfungen – und sie verfolgt die immer neuen Versuche, diese wuchernde Vielfalt zu bändigen: von der erfundenen Tradition des Konfuzius über die Schaffung des Einheitsreiches, die universale Heillehre des Buddhismus, den Kulturpatriotismus der Literatenbeamten bis hin zu den grauenhaften Exzessen des Totalitarismus und dem Nationalismus der Gegenwart.
Wer die Vielfalt erkennt, die hinter der Fassade der Einheit wimmelt, sieht in der chinesischen Geschichte keineswegs eine exotische Kultur am Werk, die sich gänzlich von unserer unterscheidet und nie vollständig zu verstehen ist. Im Gegenteil: die Geschichte Chinas wird verständlich als Resultat allzu menschlicher Bemühungen, dieselben Probleme – wiewohl oft auf andere Weise – zu lösen, die wir Europäer auch kennen. Der genaue Blick auf die Geschichte Chinas zeigt, dass die Chinesen uns nicht fremd, sondern sehr ähnlich sind, und zwar in Geschichte und Gegenwart.