In der Geschichte des chinesischen Kaiserreiches, das von 221 v. Chr. bis 1911 n. Chr. bestand, gab es mehrere Versuche eine Herrschaft durchzusetzen, die als autoritär, totalitär, diktatorisch oder ähnlich zu bezeichnen wäre. Eine solche Herrschaft erlebte China erstmals vor genau zweitausend Jahren: das Interregnum des Wang Mang (9-23 ).
Solches „Zwischenherrschaft“ passt kaum zu dem Wirken des Wang Mang, und auch die häufige Bezeichnung „Thronursurpator“ für ihn ist ungenau. Er gehörte einer Würdenträgerfamilie des Hauses Liu an, das seit 206 v. Chr. als Han-Dynastie über China herrschte. Die Wang und die Liu waren mehrfach verschwägert. Das war eine Grundlage für den Aufstieg von Wang Mang in höchste Würden, sogar zu der eines Reichsverwesers. Zusätzlich bediente er sich beinahe modern anmutender Mittel politischer Propaganda – und als er im Jahre 8 n. Chr. einen Liu-Kindkaiser von seinem Thron mehr schob als stieß, da wurde sein Tun von breiter Zustimmung begleitet. Schon vorher hatte eine Unterschriftensammlung 487.572 Befürworter einer herausgehobenen Stellung für ihn erbracht. Nach Proklamation zum Erhabenen Kaiser im Jahre 8 nannte er seine Dynastie Hsin, „Die Neue“, und erließ in schneller Folge Verordnungen, die das Reich umkrempelten – und zeigen, dass er den Namen seiner Herrschaft als „Die Erneuernde“ verstand.
Programmatisch erklärte er, das Reich zu dem Glanz unter dem bewunderten Herzog von Chou im 11. Jh. v. Chr., im fernen Altertum, zurückführen zu wollen. Faktisch bedeutete das, dass er altertümliche Verhältnisse neu belebte, so die uralten Spatenmünzen, eine rekonstruierte alte Ämterordnung, die lange aufgehobenen staatlichen Monopole an Salz, Eisen und Alkoholica, auch an den Erträgen der Berge und Gewässer. Im Jahre 14 kam auch eine radikale Reform der Regionalordnung des Reiches hinzu. In , in deren Verlauf erhielten alle ungefähr 1500 Landkreise im Reiche neue, programmatische Namen, die aber öfter verändert wurden. Das Chaos, das allein diese Maßnahme anrichtete, läßt sich vorstellen.
Als konfuzianischer, das Altertum idealisierender Eiferer läßt sich Wang Mang bezeichnen, der seine Ansichten mit totalitären Mittel durchsetzte – und wenn die damaligen Kenntnisse vom glorreichen Altertum nicht ausreichten, dann fabrizierten angeblich Gelehrte entsprechende Schriften, und eine Reform folgte der anderen. Der Volksaufstand der Roten Augenbrauen im Jahre 18 regte weitere Aufstände aus unterschiedlichen Motiven an, durch die im Jahre 25 die Han-Dynastie neu gegründet wurde: als Östliche oder Spätere Han-Dynastie. Von Wang Mangs Wirken blieb unter ihr kaum etwas bewahrt, und er wurde fortan verachtet. Die Überlieferung schätzte an ihm allein, dass er Gelehrsamkeit und geistige Arbeit förderte und als Herrscher ein fleißiger Aktenleser war. – Auch spätere Herrschaften von ideologischen Eiferern bestanden in China nie lange. (April 2014)