15.10.2018, Frankfurt a.M. – Anders als über die Metropolen Shanghai und Beijing sind die Vorstellungen über die chinesische „Megacity“ Chongqing in Deutschland bisher wenig ausgeprägt. In Frankfurt a.M. präsentierte nun am 15.10.2018 eine Delegation der Stadtregierung eine noch weniger bekannte Seite Chongqings, nämlich die Stadt als Schatzkammer von Bergen, Seen, Wäldern und Naturparks.
Vor gut einem Jahr stellte der Sender RTL Chongqing als „Megacity der Superlative“ vor. Alle habe sie überholt: New York, Kairo, Mexico-City. Doch die flächenmäßig größte Stadt der Welt sei eine gewaltige Unbekannte, sie sei längst nicht so populär wie andere Metropolen. Chongqing liege im Herzen Chinas und habe derzeit 32 (heute: 33) Millionen Einwohner. Nur Tokio sei nach Einwohnern größer. Noch. In anderer Hinsicht sei Chongqing schon heute unschlagbar: Die Stadt sei so groß wie ein ganzes Land. Mit mehr als 82.000 Quadratkilometern überflügele Chongqing flächenmäßig sogar Österreich. Und in der Tat: Soweit es in Deutschland Vorstellungen über die Stadt gibt, fokussieren sich diese auf die Wirtschaftsmetropole und das Logistikdrehkreuz. Bei etwas vertieften Chinakenntnissen wird man sich vielleicht noch erinnern, dass in dem Verwaltungsgebiet von Chongqing das Tor zu den Drei Schluchten liegt, einem bekannten Naturdenkmal am Jangtsekiang.

Um hier Defizite abzubauen, präsentierte eine Delegation unter Leitung des Chefs der städtischen Forstadministration, SHEN Xiaozhong, speziell den großen landschaftlichen Reichtum Chongqings, namentlich die Bemühungen um den Ausbau zu einem großen Erholungs- und Wellness-Resort. Und eine besondere Rolle soll dabei das „Waldbaden“ spielen, nämlich die Nutzung des Waldes als Therapie- und Gesundheitszentrum ebenso wie als Ort der Freude und der Inspiration. In Japan ist dieser Aspekt unter dem Begriff Shinrin Yoku bereits zu einer therapeutischen Wissenschaft entwickelt worden. In seiner Präsentation machte Direktor Shen deutlich, dass man an diese Entwicklung auch in Chongqing anknüpfen und ebenso um deutsche Touristen wie auch um Investoren werben wolle. Und hierfür hatte Organisatorin Frau CUI Li, Leiterin des Verbandes „China-Tourismus in Europa“, eine in der Tat ausgewählte Expertenrunde als deutsche Gesprächspartner zusammengestellt, die vom Außenwirtschaftssprecher des Bundesverbandes Mittelständische Wirtschaft (BVMW Hessen), Jörg von Netzer, über den Chinatourismus-Experten Jürgen Kremer (China Tours Frankfurt) bis hin zu der deutschen Waldbaden-Expertin und Buchautorin Annette Bernjus reichte, um nur einige zu nennen.

Die Präsentation selbst eröffnete LI Huiqian, Leiter der Außenwirtschaftsverwaltung, unter Hinweis auf Staatspräsident Xi Jinping, der die Umwelt in ihrer Wertigkeit mit der Wirtschaft gleichsetze. Man habe Deutschland zur Präsentation ausgewählt, weil Deutschland in Europa zu den führenden Ländern auf dem Sektor „Waldbaden“ gehöre. Daher wolle man von den deutschen Erfahrungen lernen und mit den anwesenden deutschen Experten sprechen.
Im Namen des Frankfurter Generalkonsulats der VR China erinnerte Vize-Generalkonsul LU Qizhi daran, dass es zurzeit viele chinesische Besuche im Konsularbereich gebe. Dies sei ein gutes Zeichen für die Intensität der bilateralen Beziehungen im 40. Jahr der chinesischen Reform- und Öffnungspolitik. Chongqing sei berühmt für seine Gastfreundschaft und insbesondere seinen herausragenden Feuertopf. Er freue sich auch persönlich, Chongqing durch die Präsentation näher kennenzulernen.
Nach einem Imagefilm stellte dann Direktor Shen Chongqings Profil anhand zahlreicher statistischer Daten und Wirtschaftsdaten vor. Man gehöre zu den nur vier regierungsunmittelbaren Städten in China. Als Endpunkt der Bahnlinie nach Duisburg gehöre man zum Kern der neuen Seidenstraße. Dies sei die erste Bahnlinie von China nach Europa gewesen, diese Linie werde auch heute noch von den meisten Zügen frequentiert. Ebenso sei man mit der maritimen Seidenstraße verbunden. Chongqing sei ein herausragendes Wirtschaftszentrum und Logistikdrehkreuz und insofern mit Frankfurt a.M. vergleichbar. Aber man nenne sich auch „Gebirgsstadt“, weil man über viele Berge verfüge. Reich sei man ebenso an Flüssen und Brücken. Der Kulturförderung messe man ebenso wie der Gesundheitswirtschaft und dem Tourismus einen hohen Stellenwert bei. Und man habe die Erfahrung gemacht, dass in der Sommerhitze eine sehr große Zahl von Touristen die ausgedehnten Wälder Chongqings – von Direktor Shen mit zahlreichen Fotos eindrucksvoll dokumentiert – aufsuche. Vor diesem Hintergrund solle das „Waldbadenprojekt“ mit Unterstützung der Regierung energisch ausgebaut werden. Bis 2020 wolle man 19 Nationalparks, 15 Einrichtungen zum Waldbaden und über 1.000 km Wanderwege neu erstellen. Zudem wolle man die heißen Quellen nutzbar machen. Hierzu benötige man Hilfe und Unterstützung von Experten.

Dr. Michael Borchmann, MDgt. a.D. (Hessen) und stellv. Vorsitzender der GDCV, gestand ein, dass er von dem landschaftlichen Reichtum Chongqings ebenso wie von dem Begriff „Waldbaden“ erst im Zusammenhang mit der Präsentation erfahren habe. Jedenfalls habe die Stadtregierung für ihre Präsentation mit Frankfurt als deutscher Touristikzentrale einen guten Ort ausgewählt. Zudem liege Hessen zwischen den wirtschaftsstarken Ländern Baden-Württemberg und Nordrhein-Westfalen, die über ein großes Potenzial an Touristen verfügten. Wichtig sei es, dass man in der „Deutschland-Arbeit“ nunmehr am Ball bleibe mit weiteren Delegationen und auch Einladungen nach Chongqing. Aber durch die Zusammenstellung der anwesenden Expertenrunde seien gute Voraussetzungen dafür geschaffen, die Kooperation im Wirtschafts-, Touristik- und Waldbadenbereich zu vertiefen. Und für den Delegationsleiter hatte Dr. Borchmann ein besonderes Souvenir mitgebracht: Eine Flasche Rotwein aus einem besonders magischen deutschen Waldgebiet, dem Schwarzwald. Diese Herkunft und der Name „Hex vom Dasenstein“ – chinesisch „Wūpó“ – möge den Besuchern besondere Kräfte beim Aufbau ihres ambitionierten Projektes verleihen.
Abgerundet wurde die Vorstellung durch Darstellungen einzelner Projekte und Regionen und zwar durch YUAN Dekun (Leiter für Baumbewirtschaftung), LING Bo (Fortdirektor Jiangjin-Bezirk) und RAN Kuilin (Fortdirektor Kreis Wuxi) sowie durch einen lebhaften Informationsaustausch mit den anwesenden Experten.